Mittwoch, 31. Oktober 2012

Funkstille

Noch kein Wort von Sina. Schauen wir mal, ob sie überhaupt zurückkommt. Mittlerweile hat mir der Beste Ehemann mitgeteilt, dass er gar nicht weiss, wann und wo Sina genau ankommt. Sie hatte ihm wohl vorgeschlagen, dass sie einen Zug in Richtung unseres Wochenendaufhalts nimmt und wir alle gemeinsam im Auto zurückfahren.

Au ja. 500 km in einer gelösten, entspannten Stimmung zu fünft im Auto.

Mir bleibt auch nichts erspart.

Montag, 29. Oktober 2012

Ich bin sauer!

Diese Woche weilt mein Au Pair im Urlaub.

Ohne dass ich vorher darüber Bescheid wusste.

Ohne dass sie überhaupt noch Urlaubstage hat.

Das einzige, was ich zu ihrer Entschuldigung vorbringen kann, ist die Tatsache, dass der Beste Ehemann diese Woche Urlaub hat und wir sowieso ab Donnerstag ins lange Wochenende fahren. Es handelt sich also nicht um eine organisatorische Katastrophe.

Trotzdem.

Trotzdem finde ich es ein unmögliches Verhalten, dass sie verreist und mich bewusst in dem Glauben lässt, sie fahre nur übers Wochenende weg. Und nicht nur mich, auch den Kindern sagte sie nichts davon. Dem Besten Ehemann, der sie netterweise zum Zug fährt, wurde erst klar, dass sie eine ganze Woche weg ist, als es darum geht, wann er sie abholen soll.

Das ganze hat natürlich eine Vorgeschichte. Unsere Kinder sind mittlerweile gross genug, um regelmässig durchzuschlafen, daher trafen wir uns letzte Woche Donnerstag früh alle ziemlich geädert am Frühstückstisch, nachdem Söhnchen nachts mehrmals wach geworden war und einmal wir sogar das Bett komplett frisch beziehen mussten. Wohlgemerkt, solche nächtlichen Tätigkeiten verrichtet Sina nicht, aber sie kriegt es mit, weil ihr Zimmer direkt neben dem Kinderzimmer liegt. Wie gesagt, so eine Nacht ist mittlerweile ungewöhnlich, daher redeten der Beste Ehemann und ich beim Frühstück darüber, ob Söhnchen krank würde, kamen dann aber überein, dass er in den Kiga gehen kann. Sina warf mir einen mürrischen Blick zu. "Wenn er zu Hause bleibt, wer kümmert sich dann um ihn?". "Naja, ähm... Du?" Sie war not amused. "Das stand aber nicht im Vertrag!"

Ich atmete tief durch. "Sina, natürlich hat man genau deswegen ein Au Pair, um gerade solche Situationen flexibel abfangen zu können. Aber wir sind alle unausgeschlafen und haben alle schlechte Laune, lass uns das jetzt nicht besprechen." Ausserdem warf ich einen bedeutungsvollen Blick auf die Kinder, denn eigentlich weiss Sina, dass wir Grundsatzdiskussionen nicht vor den Kindern führen. Trotzdem fing sie wieder an: "das finde ich nicht okay.."

"Sina, nochmal, lass uns das später besprechen."

"Aber..."

Jetzt wars genug, meine Geduld erschöpft. "Sina, es reicht!"

Der Beste Ehemann brachte beide Kinder weg, unser Au Pair verschwand in ihrem Zimmer, um sich ihrem Schönheitsschlaf hinzugeben, und ich begann mit meiner Arbeit. Wie gerne würde ich mich auch morgens nochmal hinlegen! Zwei Stunden später rief der Kindergarten an, ich möge Söhnchen bitte abholen. Da mein Au Pair immer noch friedlich schlummerte, liess ich also meinen Stift fallen, sauste zum Kiga, holte Söhnchen, und brachte ihn ins Bett.

Nachmittags herrschte Funkstille zwischen uns, wir beredeten nur das Nötigste. Aber auch am nächsten Tag nahm ich Rücksicht auf Sina. Freitag vormittag geht sie normalerweise zum Line Dance Kurs, und obwohl sie anbot, zu Hause zu bleiben, schickte ich sie los, ich würde das mit Hilfe vom Babysitter Fernseher schon irgendwie hinkriegen. Ich Optimist. Gottseidank habe ich verständnisvolle Kollegen, die nichts dagegen hatten, mir am Telefon dabei zuzuhören, wie ich Söhnchen vorsang, während ich über sein fieberheisses Köpfchen strich.

Am Nachmittag sagte mir Sina, dass sie gern am Wochenende zu einer Freundin fahren wolle. Wir klärten, wann ich mit der Arbeit aufhören müsse, damit sie noch packen könnte, und als sie das Haus verliess, wünschte ich ihr noch ein schönes Wochenende. Nur um später vom Besten Ehemann zu erfahren, dass sie länger wegbleibt. Den Kindern hatte sie es übrigens auch nicht gesagt.

Offensichtlich fühlt sich unser Au Pair ausgenutzt oder überfordert oder ungeliebt, was weiss ich. Dass wir uns um sie kümmern, ihr zuhören, mit ihr bis spät in die Nacht ihre geliebten Brettspiele spielen (obwohl mich mein Bett sooo sehr ruft), alles egal. Dass wir jedesmal, aber wirklich jedesmal, uns erkenntlich zeigen, wenn sie mehr machen muss, zum Beispiel in den Ferien, alles verdrängt. Aber keine Sorge, ich werde sie daran erinnern, wenn sie wieder kommt. Daran, dass wir ihr Inliner geschenkt, die Hälfte ihres zweiten Sprachkurses bezahlt, einen Ausflug nur mit ihr (inklusive Konzertticket, Übernachtung und CD) organisiert haben. Das wir nie auch nur andeuten, dass sie ersetzen muss, was sie zu Bruch gehen lässt (und das ist viel!)  

Ehrlich gesagt, ich bin gerade diejenige, die sich ausgenutzt und enttäuscht fühlt. Das hier scheint so eine Situation zu sein, wo immer mehr mehr mehr erwartet wird, egal wieviel man gibt.

Gerade habe ich auf Au Pairs wirklich keine Lust mehr.







Freitag, 19. Oktober 2012

Düstere Gedanken

Wenn man keine Probleme hat, dann erfindet man eben welche.

Nach diesem Motto scheint Sina manchmal zu leben. 

Nachdem die Schwiegereltern abgereist waren, wir erfolgreich diverse sechsbeinige Kreaturen bekämpft hatten und ich endlich endlich endlich wieder in meinem eigenen Bett schlafen konnte, kam meine Welt langsam wieder ins Lot. Dann kann ich auch aufrichtig Anteil nehmen an den Erlebnissen Anderer, zum Beispiel Sinas, die gerade ganz glücklich zur Tür hereinkommt, denn *trommelwirbel* sie hat sich verliebt!

So ein Ereignis muss natürlich ausführlich besprochen werden, und ich möchte alles wissen. Ich lausche begeistert ihrer Beschreibung des heutigen Nachmittags und freue mich, dass es ihr so gut geht und dass sie anscheinend einen sehr netten Jungen kennengelernt hat. Und dann sagt sie: "Weil ich heute so glücklich bin, will ich Dir eigentlich gar nicht sagen, was ich Euch gestern sagen wollte, aber eigentlich muss ich es sagen, obwohl es gar nicht mehr stimmt, von daher sollte ich es besser nicht sagen, aber Du weisst ja sowieso schon, wovon ich rede, oder?"

"Häh?" 

Nach einigem Hin und Her und meinem Schwören, dass ich wirklich keine Idee habe, worum es geht, sagt sie: "Also gestern war ich sicher, dass Ihr mich nicht leiden könnt aber zu nett seid, mir das zu sagen und daher wollte ich Euch vorschlagen, dass ich gehe, damit Ihr mir das nicht sagen müsst. Aber jetzt will ich nicht mehr weggehen, also sage ich das jetzt  nicht mehr."

"Häh?"

Kein Wunder, dass ich mich alt und abgeklärt fühle gegenüber soviel jugendlicher Emotionalität. Und so kann ich auch nicht umhin, ihr irgendwann, nachdem alle meine Beteuerungen, dass wir sie mögen, nichts fruchten, ihr zu erklären: "Sina, ich weiss, mit 20 hält man sich für den Mittelpunkt des Universums. Aber sei mir bitte nicht böse, wenn ich Dir erkläre: das bist Du nicht. Wenn ich mal schlechte Laune habe, dann ist das nicht automatisch wegen Dir, sondern vielleicht einfach, weil ich schlecht geschlafen habe. Oder vielleicht, weil es die Zeit im Monat ist. " Und dann gehen mir diverse Lichter auf... 

Vielleicht sollten wir als nächstes doch ein männliches Au Pair in Betracht ziehen?



Donnerstag, 4. Oktober 2012

Die erweiterte Familie

Das Au Pair lernt natürlich irgendwann auch andere Familienmitglieder kennen. Das ist immer interessant und häufig lehrreich. Im besten Falle führt es dazu, dass das Au Pair die Kernfamilie wieder so richtig zu schätzen weiss.

Seit zwei Wochen besuchen uns meine Schwiegereltern. Meine Schwiegermutter baute mit Anfang zwanzig aus dem Nichts ihr eigenes Geschäft auf, arbeitete jeden Tag 12 Stunden und zog nebenher noch drei Jungs gross. Sie ist also nicht der Typ, der sich in den Ferien geruhsam auf ein Sofa legt.

Sie kamen an einem Samstag an. Die ersten beiden Tage konnte ich sie noch mit ständigem Essen ruhigstellen. Aber Montag gings los. Nur wenige Minuten, nachdem ich mich in mein Arbeitszimmer geflüchtet zurückgezogen hatte, klopfte es an der Tür. Sina kam herein, zog die Tür hinter ihr zu und flüsterte mit verängstigtem Gesichtsausdruck: "Wie lange bleiben sie noch???"

Mein Verständnis von ausreichender Sauberkeit und das meiner Schwiegermutter gehen sehr stark auseinander. Tatkräftig wie sie ist, nahm sie die Sache also selbst in die Hand. Aufräumen - check. Boden wischen - check. Sämtliche Fenster des Hauses in drei Stunden putzen - check. Wäsche waschen und bügeln - check. Sämtliche bereits gewaschene Kleidung aus den Schränken holen und nochmal bügeln - check.

Sina konnte sich noch nicht wie ich gottergeben mit der kompletten Aufgabe jeglicher Privatsphäre abfinden und wollte Schwiegermama davon abhalten, das Fenster in ihrem Zimmer zu putzen. Schwiegermama: "Aber nur, wenn Du Dein Fenster bis Freitag selber putzt, sonst mach ich es doch!"