Montag, 23. Juli 2012

Wie finde ich uns ein Au Pair?

Nachdem bei uns Routine und Ruhe eingekehrt ist, kann ich mich hier allgemeineren Fragen zuwenden, wie zum Beispiel der Frage, nach welchen Kriterien wir eigentlich unsere Au Pairs ausgewählt haben. Ich wurde das bereits mehrfach im Bekanntenkreis gefragt, und auch Sina wollte letzte Woche wissen, ob uns das Herkunftsland zum Beispiel egal gewesen war (war es nicht, aber dazu gleich mehr).

Vorneweg ein Disclaimer: vieles, was ich gleich schreiben werde, sind Vorurteile, beziehungsweise Stereotypen. Es gibt sicher ganz viele Au Pairs, bei denen meine Annahmen nicht zutreffen. Aber egal wie liberal und aufgeschlossen wir zu sein glauben, ich bin überzeugt, dass jeder von uns Mechanismen in uns trägt, die bei der Bewertung von anderen Menschen greifen. Wenn hinter uns nachts auf der Strasse ein Mann herläuft, fühlen wir uns unwohler als wenn es ein junges Mädchen ist. Wir wissen nichts über die reale Person hinter uns, sondern benutzen ein Vorurteil (dass alle Männer nachts gefährliche Axtmörder sind).

Es ist ein Balanceakt. Wir möchten, dass die Kinder (und wir) andere Menschen, andere Kulturen, andere Sichtweisen kennenlernen, aber genau wie in einer Ehe oder in einer WG ist das Zusammenleben am friedlichsten, wenn gewisse Grundansichten über die Welt im allgemeinen und die Ordnung im besonderen übereinstimmen.

Also, los gehts:

- wir suchen nicht nach einem Jungen

Gleich hier prallte meine ach so grosse Aufgeschlossenheit mit meiner mütterlichen Wahrnehmung zusammen. Ich finds absolut gut und richtig, dass es Au Pair Jungs gibt. Ich denke, besonders für Kinder, die ohne Vater aufwachsen, ist das eine wunderbare Möglichkeit, ein gutes männliches Vorbild zu erleben.

Aber... Ich glaube nicht, dass alle Erzieher/Lehrer/Au Pair Jungs pädophil sind. Aber wie würde ich damit umgehen, wenn meine süsse kleine Tochter mit ihm kuscheln will? Ich stelle mir das schwierig vor.

Zweitens, wir leben recht eng aufeinander, wir teilen das Bad, wir treffen morgens im Flur aufeinander, wir sitzen abends gemeinsam im Wohnzimmer, wie das halt so ist in einer Familie. Und als ich mir vorstellte, dass da ein junger, erstmal fremder Mann unsere Wohnung teilen wird. Mit mir. Ein Mann, der nicht mein Mann ist... nee, sorry, das kann ich nicht. Was mach ich mit dem? Was rede ich mit ihm?

Drittens, auch wenn der Fokus auf der Kinderbetreuung liegt, wünschen wir uns natürlich, dass das Au Pair nach dem Kochen die Küche wieder auf Vordermann bringt, und generell hinter sich aufräumt. Auch hier hab ich das Vorurteil, dass Mädchen ordentlicher sind als Jungs, was bei Lichte betrachtet wirklich komisch ist, denn der Beste Ehemann ist VIEL ordentlicher als ich.


- wir suchen nach einem Mädchen aus dem westlichen/christlichen Kulturkreis

Auch wenn ich es faszinierend gefunden hätte, jemanden "von ganz weit weg" bei uns aufzunehmen, und wir von uns denken, keine Vorurteile Richtung Religion etc zu haben, schliesslich sind wir Atheisten, stellten sich bei näherer Betrachtung doch gewisse Fragen. Wie würde zum Beispiel ein verschleiertes Mädchen auf den lebensgrossen weiblichen Akt in unserem Wohnzimmer reagieren? Oder was sagt sie dazu, dass Schweinefleisch in irgendeiner Ausprägung bei uns zum festen Speiseplan gehört?

Übrigens, ein christlich-fundamentalistisches Au Pair käme für mich genauso nicht in Frage, denn was sage ich, wenn sie den Kinder von der Hölle und dem Teufel erzählt?

- sie sollte kleinere Geschwister haben

Ich bin mir sicher, dass alle Au Pairs unterschätzen, wie anstrengend es sein kann, Tag für Tag auf Kinder aufzupassen. Jeden Tag früh aufstehen zu müssen, egal ob man Kopfweh hat oder spät ins Bett gegangen ist. Geduldig und gelassen zu bleiben, auch wenn der Junior einen schlechten Tag, ach was, eine schlechte Woche hat. Ich denke aber, Au Pairs mit (wesentlich) jüngeren Geschwistern verfügen aber schon über eine ganz gute Idee, auf was sie sich einlassen, und kommen mit den Anforderungen dann auch besser klar. (Auch hier wieder ein Vorurteil, dass nämlich Eltern von älteren Schwestern viel eher erwarten, sich um die jüngeren Geschwister zu kümmern, als dass sie das von älteren Brüdern tun).

Dieses Argument ist übrigens auch der Grund, warum wir China als mögliches Herkunftsland ausgeschlossen haben. Ich glaube, dass durch die Einkindpolitik der Nachwuchs von den Eltern und Grosseltern hoffnungslos verwöhnt wird und die Möglichkeit sehr gross ist, dass man sich keine Hilfe, sondern ein weiteres Kind ins Haus holt.

- sie sollte zwischen 20 und 25 Jahre alt sein

Wie im vorigen Punkt geht es hier um Verantwortung und Belastbarkeit, wobei wir ja an Sina gesehen haben, dass auch eine Neunzehnjährige sehr reif sein kann. Hier muss man wirklich von Fall zu Fall entscheiden. Übrigens, die Alters-Obergrenze finde ich auch wichtig, wenn sich jemand mit 29 als Au Pair bewirbt, frage ich mich schon, warum der/diejenige sein Leben bis dahin nicht auf die Reihe gekriegt hat...

- sie sollte bereits Deutsch können.

Dieser Punkt hat für mich durch unsere Au Pair Erfahrung absolut an Bedeutung gewonnen. Wenn ihr Deutsch nicht so besonders ist, dann sollte dafür ihr Englisch um so besser sein. Zum einen, ich habe ja in der Auswahlphase nur Emails oder Skype, um jemanden zu beurteilen. Wenn die Verständigungsschwierigkeiten so gross sind, dass kein Gespräch zustande kommen kann, wie soll das gehen?

Zum anderen ist es selbst für jemanden wie Sina, die Deutsch im Abitur gehabt hat, in den ersten Wochen schwer. Es gibt so viele Worte, die in keiner Schule gelehrt werden ("kuscheln", "Mülltonne", "Cashew-Allergie"), wenn man da keine Basis hat, um darauf aufzubauen... schwierig. Wie einsam muss sich das Mädchen fühlen, wenn sie am Abendbrottisch kein Wort der Unterhaltung versteht? Dann ist sie wirklich kein Familienmitglied, sondern nur eine Angestellte.


Interessanterweise erfüllt unser Probe-Aupair drei der vier Punkte nicht :-). Ich bin schon sehr gespannt, wie die beiden Wochen mit ihr werden. Es ist jedenfalls für uns eine wunderbare Gelegenheit, ein paar unserer Vorurteile zu konfrontieren und vielleicht sogar loszuwerden!

2 Kommentare:

  1. Ich bin ja mal gespannt, wie das mit dem Probeaupair wird. In welchen Punkten entspricht sie denn nicht eurer Liste?

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  2. Sie stammt aus Guinea, ist erst sechzehn, spricht fast kein Deutsch und ihr Englisch ist auch eher mau. Ihre Emails stammen ziemlich sicher von Google Translate. Von den drei Punkten finde ich die Sprachbarriere besonders problematisch, aber für zwei Wochen wird das schon klappen.

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